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Keine Priorität für schriftliche Rechenverfahren

Lorenz Obleser Stellenwerttabelle
Die Stellenwerttabelle gehört zu den anschaulichen Werkzeugen, die schriftliches Rechnen nicht notwendigerweise erforderlich machen.

Schriftliche Rechenverfahren gelten als zweckmäßig und bieten eine arbeitsökonomische Erleichterung. Sie beschränken in zahlreichen Teilschritten jedoch den Zahlenraum und ermöglichen dadurch, dass Schulkindern im Mathematikunterricht weitläufige Prozesse vorenthalten werden und ihr arithmetischer Erfahrungsraum unnötig reglementiert wird. 

Schriftliche Rechenverfahren folgen unbedingt einem Algorithmus und gliedern sich in kleinere Teilschritte. Deren Reihenfolge muss eingehalten werden. Sie unterliegen der Logik des Rechenverfahrens, weniger der Struktur im Zahlenraum. Verwechslungen führen zu rechnerischen Fehlern und zu Unsicherheiten. Diese wiederum erleichtern das Vergessen einzelner Schritte. 

Schriftliche Rechenverfahren laden ein zur Automatisierung noch bevor die Qualitäten des Zahlenraums erkundet sind. Aufgrund mangelnden Zahlenbewusstseins können Ursachen für ergebnisfalsches Rechnen zumeist nur schwer benannt werden. 

Darstellungsformen für das Dezimalsystem sind nicht schwer zu finden.

Das geradezu mechanische Abarbeiten von Teilschritten fördert kaum Einsichten in arithmetische Zusammenhänge. Griffiges Material und grafische Darstellungsformen der Bündelung im Dezimalsystem müssen im Mathematikunterricht vorrangig behandelt werden. 

Die schriftlichen Rechenverfahren organisieren Ziffern auch in größerer Menge. Sie ermöglichen aber kaum die Entwicklung eines differenzierten Zahlbegriffs. 

Die Organisation von Ziffern erledigt Rechnungen allein durch die Manipulation auf der symbolischen Ebene. Größenordnungen, Mengenverhältnisse und Proportionen erfahren keine Betonung. 

Die Verabsolutierung schriftlicher Rechenverfahren kann sogar Lösungswege ausschließen, die einfacher zum richtigen Ergebnis führen.